Die Münsterberg-Täuschung
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Das seit mehr als 100 Jahren bekannte Phänomen, welches Spot 17 inspirierte, ist ein Unikum unter den optischen Täuschungen. H.Münsterberg [1] hat sie 1897 unter dem Titel «Die verschobene Schachbrettfigur» erstmals publiziert. Er sagt, dass er sie nicht selbst entwickelt, sondern auf einer amerikanischen Pferdebahnabonnementskarte vorgefunden hat. In einer Publikation von A.H.Pierce [2] taucht sie unter dem Namen «Kindergarten-Flechtmuster» wieder auf. 1973 beobachtet R.L.Gregory [3] eine Backsteinwand eines Cafés in Bristol und publiziert das altbekannte Phänomen unter dem Namen «Café-Haus-Täuschung».
Die horizontalen Mörtelfiguren zwischen den zweifarbigen Backsteinzeilen scheinen entweder gegen links oder gegen rechts geneigt zu sein. Das erste Täuschungselement betrifft das Phänomen der Grössentäuschung: Ein helles Objekt auf dunklem Grund erscheint grösser, als ein gleich grosses dunkles auf hellem Grund.
Mit dieser Idee erzeugen wir ein Schachbrettmuster und stellen fest, dass die quadratischen Elemente ein wenig verzerrt wahrgenommen werden, dass die Trennlinien jedoch parallel bleiben. Die dunkle Struktur blockiert die helle und umgekehrt:
Wir erzeugen einen grösseren Aktionsraum, indem wir die Zahl der schwarzen Steine zu Gunsten der weissen verringern. Erstmals scheinen sich die Fugen nach links und rechts zu neigen. Eine Überlappung von gleichfarbigen Steinen ist somit keine zwingende Voraussetzung für die scheinbaren Schräglagen, wie in der Literatur teilweise behauptet wird. Die hellen Steine mit drei dunklen Nachbarn werden ein wenig überzeichnet, während die dunklen schrumpfen, falls sie an drei helle stossen. Die Grössentäuschung kann sich ausbilden.
Das Grundmodul der Schachbrettfigur zeigt bereits scheinbar schiefe Linien. Die Münsterberg-Täuschung ist dramatischer. Es muss noch andere Ursachen geben: Die dunklen Backsteinsäulen haben wie im Bild links oben eine Ähnlichkeit mit vertikalen Zickzackblitzen. Horizontale Linien zeigen auf diesem Untergrund deutliche Schräglagen. Die elementare Zöllner-Täuschung liefert die Erklärung dazu.
Wir vergleichen das vorläufige Ergebnis mit dem Originalbild von Münsterberg:
Die Schieflage der Trennlinie ist ausgeprägter. Reduziert man die Serie auf zwei Steine, so verringert sich die Täuschung deutlich. Die Repetition des Moduls verstärkt somit den Effekt.
Unser Gehirn ist überfordert, viele Elemente in Kurzzeit fehlerfrei zu erfassen. Die visuelle Information der Netzhaut wird ja bekanntlich zunächst nach Farben, Formen und Linien mit verschiedenen Grundelementen und Konturen sortiert. Ein Bild entsteht nach dieser Dekomposition erst im visuellen Kortex. Das Bild wird sozusagen dort neu gezeichnet. Richtungen von Grenzlinien entstehen also erst dort aus dem abstrakten Informationsmaterial. Die vielen parallel geschalteten, schnell ablaufenden Hilfsprogramme im Gehirn für Form-, Bewegungs- und Farberkennung können Bilder mit Fehlern erzeugen, welche mit der Komplexität der Verschlüsselung und Entschlüsselung tendenziell zunehmen. Somit ist eine Verstärkung der Schieflage bei einer zweiachsigen Fortsetzung der Struktur zu erwarten. Wir zeigen ein von M.J.Morgan und B.Moulden[4] optimierte Backsteinwand mit Fugen:
Die Täuschung nähert sich einem Maximum, welches begründet werden soll. Die Repetition des Grundmoduls ist notwendig. Ein möglichst grosser Kontrast der beiden Steinsorten ist eine zweite Voraussetzung. Wählt man beispielsweise zwei Steinfarben gleicher Helligkeit, so bricht die Täuschung zusammen. Was ist mit den Mörtelfugen?
Die Fugen sind notwendig. Werden sie weggelassen, so verklumpen die dunklen Backsteinsäulen und reduzieren die Schieflage wieder auf das Minimum des Grundmoduls. Die Helligkeit muss ungefähr dem Mittel der Helligkeiten der beiden Steinsorten entsprechen.
Unsere visuelle Bildverarbeitung im Grosshirn prüft unter anderem die markanten periodischen Strukturen und bestimmt Neuronen-Aktivitäten, beispielsweise im Bereich der Mörtelfugen. Die Extrema korrespondieren mit den gekoppelten Aktivitäten der beiden Zellen-Typen, die zu den konzentrischen rezeptiven Feldern gehören (On-Center- und Off-Center-Zellen). Das Bild oben rechts visualisiert die Maxima- und Minimaverläufe entlang der fünf Mörtelfugen des linken Bildes. Dort, wo zwei helle Steine die Fugen berühren, entsteht ein Minimum, zwischen dunklen Steinen ein Maximum. Die elementare Fraser-Täuschung [5] sieht etwa gleich aus wie dieses abstrakte Bild und zeigt dieselben Aktivitätsverläufe. Der Beitrag zur Richtungstäuschung im Bereich der Fugen ist damit einigermassen erklärt. Er liegt in unserm Beispiel etwa bei 75%. Die Zöllner-Täuschung bewirkt etwa 15%. Wie entstehen wohl die fehlenden 10%?