Experiment mit Farben und Proportionen
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In Spot 01 können Sie jedem Farbfeld 6 verschiedene Grautöne inklusive Schwarz und Weiss oder 6 Grundfarben zuordnen. Mit den Schiebereglern legen Sie die Proportionen der vier Felder eines quadratischen Bildmoduls fest. Die verschiedenen Zoomstufen eingerechnet, können mit diesem Werkzeug Milliarden von unterschiedlichen Bildern erzeugt werden. Die phänomenalen Besonderheiten von einigen ausgewählten Bildern werden im folgenden erläutert:
Auch mit Grautönen lassen sich interessante Phänomene beobachten. In der Wahrnehmungsforschung gibt es den Transparenz-Effekt [1], welcher sich mit Streifenmustern systematisch untersuchen lässt. Wählt man für die vier Elemente vier unterschiedliche Grautöne, so sind 24 verschiedene Anordnungen möglich. Bei 8 Anordnungen kann man genau sagen, welche Streifen scheinbar vorne im Bild verlaufen und welche teilweise verdeckt im Mittelgrund liegen. In Bild 1 und 2 ist die Wahrnehmung der Transparenz eindeutig.
Bei weiteren 8 Anordnungmöglichkeiten stellt man Transparenz mit Ambivalenz fest, das heisst, es gibt wie in Bild 3 zwei Interpretationsmöglichkeiten, die nicht mit derselben Leichtigkeit wahrgenommen werden.
Bei den verbleibenden 8 Anordnungsmöglichkeiten entsteht keine Transparenz; es gibt keine Felder, die einen Hintergrund durchschimmern lassen. Man kann zwar horizontale und vertikale Streifen lesen, die Elemente an den Kreuzungen sind jedoch opak, wie die schwarzen Quadrate in Bild 4.
Die Geometrie der Streifen, welche in Spot 01 durch Verschieben des Teilungspunktes definiert werden kann, hat keinen Einfluss auf diese Fallunterscheidung. Untersuchungen über die Bedingungen für Transparenz findet man in der Fachliteratur unter anderem bei Metelli[2].
Fabio Metelli[2] hat eine Theorie über die Aufspaltung der Elementeigenschaften im Transparenzbereich entwickelt. Sie trifft bei den hier gezeigten Experimenten aber nur in grober Näherung zu. Gemäss Metelli entstehen die Farbeigenschaften der Überlappung nach dem Gesetz der anteilmässigen Farbaddition aus den Eigenschaften von Vordergrund und opakem Mittelgrund. Metelli bestimmt die hypothetischen Mischanteile algebraisch aus den Helligkeitswerten der einzelnen Farbfelder. Nach unserer Idee müssten die Blau-, Grün- und Rotanteile der einzelnen Mischfarben getrennt untersucht und ihr Zusammenwirken im Transparenzbereich ergründet werden. Ausserdem hat sich gezeigt, dass die Form und die strukturelle Anordnung der Elemente eine Rolle spielen. Ferner müsste die Retinex-Theorie von Edwin H. Land[3] miteinbezogen werden. Jedenfalls zeigt bereits die folgende Farbtäuschung, dass die Vermutung von Metelli nicht in allen Situationen zutreffen kann.
Wenn man die Kriterien für Transparenz auf die Grauwerte der in den Bildern 5 bis 8 verwendeten Farben anwendet, so muss ein ambivalent transparentes Streifenmuster entstehen. Tatsächlich lassen sich entweder die vertikalen Streifen mit Cyanblau oder die horizontalen mit Rot im Vordergrund sehen. Im Widerspruch zu den Grauwertregeln kann man aber auch helle horizontale oder vertikale Streifen in den Vordergrund zwingen. Der Einsatz von Farben erhöht die Komplexität der Wahrnehmungssituation.
Die neutralen grauen Quadrate erscheinen rötlich gefärbt.
Zwischen den Bildern 6 bis 8 findet eine fortlaufende Massstab-Verdoppelung statt. Es wird zunehmend schwieriger, die Strukturgrenzen als gradlinige äquidistante Linien zu identifizieren. Die geometrisch-optischen Täuschungen verändern sich. Alle benachbarten Felder beeinflussen sich gegenseitig. Vergrössert man die Betrachtungsdistanz zu Bild 8, so lässt sich bald ein integraler Grauwert erkennen, welcher mit den Regeln der anteilmässigen Farbaddition vorausgesagt werden kann. Die Farbtäuschungen in Bild 6 bezeichnen wir als Bezold-Täuschung, vergl. dazu auch Spot 04 und Spot 08. Die scheinbaren Farbveränderungen in Bild 8 hingegen lassen sich mit dem Assimilations-Effekt erklären, vergl. dazu Spot 09.
Bild 9 zeigt schmale horizontale Streifen im Vordergrund, welche von den grösseren Nachbarelementen stark beeinflusst werden: Die grauen Felder weisen, aus der Nähe betrachtet, einen intensiven Rotstich auf, aus Distanz betrachtet, wirkt das Grau hingegen bläulich. Betrachtet man Schwarz als Hintergrund, treten die roten Säulen in den Mittelgrund und erhalten durch die vorgelagerten horizontalen Streifen rhythmische Farbstörungen sowie Einschnürungen. Betrachtet man Rot als Hintergrund, zeigen die schwarzen Säulen des Mittelgrundes konkave Deformationen. Bei Schwarz im Mittelgrund fehlen die Farbstörungen.
Die Geometrie-Täuschung, welche beim Vertauschen von Hintergrund und Mittelgrund von den roten Objekten auf die schwarzen überspringt, kann man mit den Entdeckungen des Wahrnehmungsforschers Gaetano Kanizsa[5] besser verstehen: Kanizsa zeigt, dass bei Überdeckungen der Rand stets zum vorderen Objekt gehört. Mit Bild 9 wird erstmals gezeigt, dass bei einer mehrdeutigen räumlichen Organisation eine Täuschung des Randes ebenfalls kippen kann; die erwähnte Randkrümmung wechselt das Vorzeichen.
Bild 10 zeigt weisse oder schwarze Säulen mit Randverformungen im Mittelgrund sowie opake rote Streifen im Vordergrund, welche sich hellrot über Schwarz und dunkelrot ueber Weiss verfärben. Diese Farbtäuschung ist ein Spezialfall des Simultankontrasts.
Sichtbar sind entweder vertikale weisse Streifen mit blauen Einschlüssen im Vordergrund oder horizontale blaue Streifen im Hintergrund. Dominant ist hier eine Grössentäuschung: Die weisse Streifenschar erscheint breiter als die blaue Schar. Helle Objekte auf dunklem Hintergrund scheinen sich auszudehnen, dunklere auf hellem Hintergrund hingegen zusammenzuziehen.
Die schmale horizontale Streifenschar müsste nach den Regeln von Metelli transparent erscheinen, wirkt aber opak. Die räumliche Organisation hat in diesem Bild vier Deutungen: Die vertikalen gelben Bänder oder die vertikalen weissen können vorn sein oder wahlweise die horizontalen schwarzen resp. die horizontalen gelben. Im ersten Fall erscheint der Hintergrund weiss, im zweiten gelb, im dritten gelb und im vierten schwarz. Die Randtäuschungen machen diesen Wechsel mit. Die schwarzen horizontalen Streifen erscheinen breiter als die weissen vertikalen.
In Bild 13 dominieren Randtäuschungen. Das Gehirn ist nicht fähig, die vier Vertikalstreifen gradlinig zu begrenzen. Ursache dieser Störung sind die schwarzen Einschlüsse. Die gelben Rechtecke ziehen sich zusammen und wirken konkav. Die horizontalen Grenzlinien dehnen sich aus und krümmen sich ein wenig. Die schwarzen Quadrate werden zu Knoten verzerrt. Der Bambus-Effekt kann vermutlich nicht mit der bekannten Grössentäuschung erklärt werden.
Der Effekt tritt ein, wenn die Farben von Figur und Grund etwa gleiche Helligkeit haben und von den Farbrezeptoren der Retina verschieden schnell dekodiert werden. Blaue Objekte auf rotem Grund beginnen bei gedämpfter Beleuchtung zu tanzen und ihre Geometrie wird, wenn das Bild leicht geschüttelt wird, phasenverschoben auf der Netzhaut nachgezeichnet. Sir Charles Wheatstone und Sir David Brewster haben diesen Effekt 1844 publiziert. Dieses Phänomen ging durch Marcel Duchamp unter dem Namen «flatternde Herzen» in die Kunstgeschichte ein[7]. Im Bild entstehen ausserdem Winkelstörungen und wellenförmige Anordnungen der Objekte. Werden Figur und Grund vertauscht, erfährt das rote Gitter im Vordergrund eine Stabilisierung der Geometrie.
In Bild 15 erscheinen die im schwarzen Linienraster eingefügten cyanblauen Liniensegmente von einem zarten fluoreszierenden Farbschimmer umgeben, der sich auch über die weissen Zwischenräume hinweg ausbreitet. Diese Täuschung wurde erst 1975 vom holländischen Psychologen van Tuijl entdeckt[6]. Darüber hinaus verfärben sich die Zwischenräume graurötlich. Erkunden Sie die Entstehung des Neon-Effektes mit Hilfe von Spot 05. Dort erfahren Sie mehr über die Hintergründe dieser Täuschung.
Die optischen Effekte an den Kreuzungsstellen eines regulären Gitters kennt man seit 1870. Im Hermann-Gitter treten helle oder dunkle Punkte auf, welche als Begleiterscheinung der neuronalen Bildverarbeitung gedeutet werden. Die von den Kreuzungspunkten erregten Rezeptoren erhalten von vier Seiten laterale Hemmungen, alle andern Gitterpunkte nur von zwei. In dem von uns entdeckten und hier erstmals publizierten Bild 16 sind die Kreuzungspunkte in Abänderung der klassischen Herrman-Hering-Täuschung weiss statt gelb. Deshalb entsteht ein neuer Farbeffekt. In der Umgebung der Blickfixation bleiben die Kreuzungsstellen weiss. Ausserhalb blitzen sie lila auf. Mit wanderndem Blick verschieben sich auch die farbigen Flecken. Bei Vergrösserung der Bilddistanz nimmt ihre Zahl zu. Die laterale Hemmung wird nur im Bereich der Sehgrube(Fovea) aufgehoben. Nur Kreuzungsstellen, die nicht im Bereich der Fovea liegen, sind von der Farbtäuschung betroffen. Verwandt mit den Helligkeitstäuschungen im klassischen Herrman-Hering-Gitter ist auch unsere dynamische Modifikation der klassischen Ehrenstein-Täuschung, welche als Spot 06 präsentiert wird.
Sie sehen zwei verschiedene Bilder. Vergleichen Sie ihre Merkmale bezüglich Farbe, Form und räumlicher Schichtung. In Wirklichkeit sind beide Bilder bis auf eine Drehung um 90 Grad identisch. Die Farb- und Geometrietäuschungen stehen vermutlich im Zusammenhang mit der bevorzugten Leserichtung und mit einem bei fast allen Menschen vorhandenen leichten Astigmatismus (Hornhautverkrümmung) der Augen. Eine weitere Ursache der Farbtäuschung in diesem Bildpaar ist der Bezold-Effekt (vergl. dazu auch das Bildpaar 19 und 20 sowie Spot 04 und Spot 08).
Dominant ist eine nach Wilhelm von Bezold 4) benannte Farbtäuschung (vergl. dazu auch Spot 04 und Spot 08), welche in der Literatur oft mit dem Assimilations-Effekt (vergl. Spot 09) verwechselt wird und bis heute ein neurologisches Rätsel darstellt. Beide Bilder enthalten dieselben Farben. Die unterschiedliche Nachbarschaft bewirkt extreme Farbveränderungen: Dasselbe Rot wird einmal als Rotviolett, einmal als Rotorange wahrgenommen. Blau und Gelb verändern ihren Farbton weniger, weil hier nur zwei Nachbarelemente verschieden sind. Die Bildresultate einer umfangreichen blelb-Untersuchung über den Bezold-Effekt mit Parameterstudie und Effektoptimierung (siehe Publikationen) wurden publiziert [8].